Turboverdichter bei Kälteanwendungen mit HFO
Getriebe- und magnetgelagerte Turboverdichter
Werden größere Leistungen für Kälte- und Klimaanwendungen benötigt, ist oft der Turbo als Verdichterbauart die erste Wahl. Magnetgelagerte Turboverdichter sind aber seit neuesten auch schon im kleinsten Kilowattbereich verfügbar. Im unteren Leistungsbereich sind häufig Scroll- und Rollkolbenverdichter vorzufinden, im mittleren Bereich oft Hubkolben– und Schraubenverdichter. Dies ist aber auch immer stark abhängig vom Kältemittel und Einsatzbereich. Bei dem natürlichen Kältemittel NH3 und NH3/H2O Gemisch sind die beiden zuletzt genannten Verdichter auch bis ca. 10 MW im Einsatz. Turboverdichter können in offener oder halbhermetischer Bauform gefertigt werden, als Kältemittel findet derzeit hauptsächlich das HFO-1234ze(E) aufgrund des geringen GWP-Wertes von 7 (4. Sachstandsbericht des IPCC) bzw. von 1,37 (6. Sachstandsbericht des IPCC) Anwendung. Großprojekte, bevorzugt als Wärmepumpenanwendung im zweistelligen Megawattbereich, setzten hier auch auf das natürliche Kältemittel CO2.
Offene und halbhermetische Bauform
Die Vor- und Nachteile der halbhermetischen oder offenen Bauformen findet ihr nachfolgend.
Grundsätzliche Vorteile der offenen Bauform:
► Keine unerwünschte saugseitige Kältemittelüberhitzung
► Exaktere Anpassung von Kälteleistung und Motorleistung je nach Anwendung
► Große Kälteleistung möglich
► hohe Flexibilität bei Motorwahl (z. B. Schutzart, Wirkungsgrad, Effizienzklasse,
Anwendungsbereich)
► Falls gewünscht, auch Riemenantrieb zur preiswerten Drehzahlanpassung möglich
► Bei Motorbrand kann Kältekreislauf nicht kontaminiert werden.
Grundsätzliche Vorteile der halbhermetischen Bauform:
► Keine Stillstandswartung bei langen Stillständen (> 1 Monat) erforderlich, um Leckagen
an Wellenabdichtung zu vermeiden
► Tendenziell geringere Schallleistung
► Etwas geringerer Platzbedarf
► Motorkühlung kann intern erfolgen mit Kältemittel.
Kinetische Energie bei Strömungsmaschinen
Die Ausführung erfolgt als Strömungsmaschine, somit waren sie nicht für hohe Druckdifferenzen geeignet, Kompression geschieht kontinuierlich ohne Strömungsabriss. Turboverdichter sollten für stabilen Betrieb mit einem maximalen Druckverhältnis pc / po von ca. 5 arbeiten, das minimale Druckverhältnis betrug 1,5. Dieser Druckverhältnissachverhalt hat sich aber für Wärmepumpenanwendungen stark gewandelt. Durch eine mehrstufige Verdichtung (bei Wärmepumpen vierstufig und mehr) sind nun auch hohe Differenzdrücke bei sehr guten Leistungszahlen realisierbar. Der Einsatzbereich von Turboverdichtern ist im Gegensatz zu den anderen Verdichter Bauarten stärker eingegrenzt, somit ist eine genaue Projektierung notwendig.
Verdichtung des Kältemitteldampfes resultiert durch Umwandlung der Bewegungsenergie (kinetische Energie) in Druckerhöhung. Bei gleichem Massenstrom ist der Volumenstrom am Austritt des Laufrads, auch Impeller genannt (Bild 1) aufgrund der Verdichtung geringer.
Drehzahl und Druckaufbau
Je höher die Drehzahl, umso höher ist der mögliche Verflüssigungsdruck. Durch eine verstellbare Vorleitschaufel, auch IGV (Inlet Guide Vane) genannt (Bild 2) wird eine Verjüngung oder Vergrößerung des Eintrittsquerschnitts erreicht. Eine weitere Veränderung der Gasaustrittsfläche am Diffusor erhöht die Betriebssicherheit und den Einsatzbereich. Somit wird ein Abreißen der Strömung (stall), z. B. in Teillast, oder einem Rückstrom des Kältemittels bei hohem Verflüssigungsdruck (surge), z. B. durch verschmutzten Verflüssiger, unterbunden. Dieser sogenannte Pumpbetrieb ist zu vermeiden, da er zum Ausfall oder zur Zerstörung des Verdichters führen kann.
Regelbarkeit von Turbokaltwassersätzen
Ein Regelbetrieb bis ca. 15% der Normkälteleistung ist möglich, jedoch ist die nicht unter allen Betriebszuständen gewährleistet. Je höher das Verdichtungsverhältnis pc/po, desto weniger kann in Teillast gefahren werden. Dies ist besonders bei Wärmepumpenanwendungen zu bedenken. Verdichtung kann ein- und mehrstufig geschehen, dies bedeutet, wie viele Laufräder verbaut sind. Bei zweistufiger Verdichtung wird zwischen „In Line“ und „Back to Back“ unterschieden (Bild 3).
Bild 4 zeigt den Aufbau der Impeller mit dem Motor sowie die Strömungsführung von der ersten Stufe zur zweiten Stufe bei Back to Back Konfiguration.
Unter bestimmten Umständen, besonders bei hohen Differenzdrücken, kann mit einem Economizer auch bei Turboverdichtern noch eine weitere Effizienzerhöhung erreicht werden. Der vereinfachte kältetechnische Aufbau sowie die Darstellung im log-p-h-Diagramm ist in Bild 5 dargestellt. Physikalische Grundlagen im Kältekreislauf können in diesem Beitrag in drei Teilen nachgelesen werden.
Der Vorteil bei einstufiger Verdichtung sind tendenziell höhere Leistungszahlen bei niedrigen Verflüssigungstemperaturen, da der Strömungswiderstand der zweiten Stufe nicht auftritt. Dementsprechend ist zwei- oder mehrstufige Verdichtung bei hohen Druckunterschieden vorteilhafter, da ein höherer Druck aufgebaut werden kann.
Motorkühlung erfolgt bei halbhermetischer Ausführung durch Sauggaskühlung und Kältemitteleinspritzung (liquid injection), bei offener Ausführung hat dies extern, z.B. über die Maschinenraumlüftung zu erfolgen. In der Kältetechnik werden nur Radialverdichter verwendet. Ein Rechtsdrehfeld ist zu beachten, Betrieb bei falscher Drehrichtung führt zum Totalschaden. Flüssigkeitsschläge können zur vollkommenen Zerstörung des Impellers führen und sind zu vermeiden, jedoch ist hier eine höhere Toleranzschwelle als bei Hubkolbenverdichtern festzustellen.
Regelungsarten bei Turbomaschinen
Ein-Aus- oder Saugdruckregelung wird nicht verwendet. Folgende stetige Regelungsarten sind allein oder in Kombination möglich.
Vordrallregelung durch Leitschaufelverstellung
Am Laufradeintritt angebrachte verstellbare Leitschaufeln regulieren die Kältemittelfördermenge und somit die Kälteleistung. Bei Stillstand sind diese geschlossen, beim Anfahren werden sie langsam bis Volllast geöffnet. Die Leitschaufelverstellung kann durch ein vom Elektromotor angetriebenes Gestänge oder eine Kette oder direkt über den Öldruck ohne zusätzliche Hilfsenergie erfolgen. In Kombination mit einer variablen Spaltweitenverstellung des Diffusors am Laufradaustritt sind eine effiziente Regelung und der Betrieb im stabilen Bereich gewährleistet. Diese Regelvariante wird als Standard bei Turboverdichtern angesehen und entspricht dem Stand der Technik.
Drehzahländerung durch Frequenzumformer
Zusätzlich zur Vordrallregelung soll ein Frequenzumformer eingesetzt werden. Vorteile sind im niedrigen Anlaufstrom, der effizienten Teillastregelung und einem stabileren Betriebsbereich zu sehen. Die Regelung ist jedoch nur dann vorteilhaft, wenn mit geringerer Kälteleistung auch ein deutlich geringerer Druck aufzubauen ist, also die Verflüssigungstemperatur zurückgeht. Ölfreie magnetgelagerte Turboverdichter sind immer mit Frequenzumformern ausgestattet, bei Turboverdichtern mit Getriebe oder direkt angetriebenen Motor kann dies auch als Stand der Technik angesehen werden. Ein weiterer Vorteil ist der geringe Anlaufstrom.
Heißgas-Bypassregelung durch Montage eines Heißgas-Bypassventils zwischen Heißgas- und Saugleitung
Diese Regelvariante wird nur noch selten eingesetzt, da sie unwirtschaftlich ist. Hauptsächlich findet sie Anwendung als Anfahrbypass bei mehreren, auf einen Kältekreis arbeitenden Turboverdichtern. Sollte die Endausbaustufe noch nicht erreicht sein, stellt diese Regelungsart eine preiswerte Möglichkeit für die Übergangszeit da.
Fazit und Ausblick für Turbos
Die Weiterentwicklung bei Turboverdichtern ist sehr rasant. Wurden in der Vergangenheit die Getriebeturbos im Leistungsbereich von 800 – 2.000 kW durch die Schraubenverdichter abgelöst, ist dies bei magnetgelagerten Bauarten genau andersherum. Hier werden kleine und mittlere Leistungsbereiche erobert, die bis vor Kurzem noch dem Scroll- und Schraubenverdichter vorbehalten waren. Der Drehzahlbereich war ganz grob bis zu 55.000 rpm definiert, die kleinen Ausführungen erreichen bereits maximale Drehzahlen von 230.000 Umdrehungen pro Minute. Durch die mehrstufige Verdichtung hat sich für die Turbokompressoren der neue Anwendungsfall „Wärmepumpe“ ergeben, wo einstufige Verdichterbauarten bei etwa 50°C Vorlauftemperatur begrenzt waren. Ein Wandel vom Kaltwassersatz zur Wärmepumpe ist klar festzustellen.
Weiterführende Literatur hierzu findet ihr im Leitfaden für Kompressionswasserkühlsätze.
Wissenswertes zum Kältemittel R1234ze(E)
Mit dem geringen GWP Wert ist dieser ungesättigte HFKW als klimafreundlich einzustufen, jedoch nicht als umweltfreundlich. Das HFKW zersetzt sich bis zu einem Anteil von 10 % in der Atmosphäre zu Trifluoressigsäure (TFA). Diese Polyfluoralkylsubstanz (PFAS) ist persistent, sehr mobil und toxisch (ein sogenannter PMT-Stoff) und reichert sich aufgrund ersterer Eigenschaft zunehmend im Trinkwasser an. Viele Trinkwasserbrunnen in Europa sind bereits mit TFA-Konzentrationen belastet, die das gesundheitlich unbedenkliche Maß überschreiten. Ein weiterer Eintrag in die Umwelt ist daher zu vermeiden, zum Beispiel indem statt auf die TFA-bildenden Kältemittel wie etwa R‑1234ze(E) und R‑1234yf, die für ungefähr 50 % des TFA-Eintrages verantwortlich sind, auf halogenfreie natürliche Kältemittel oder Kohlenwasserstoffe gesetzt wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Kältemittel in die Umwelt entweicht, im hermetischen Kältekreislauf entsteht kein Umweltschaden.
Tiefer gehende Informationen zu diesem Thema bietet der 268 seitige Bericht Persistente Abbauprodukte halogenierter Kälte- und Treibmittel in der Umwelt: Art, Umweltkonzentrationen und Verbleib unter besonderer Berücksichtigung neuer halogenierter Ersatzstoffe mit kleinem Treibhauspotenzial vom Umweltbundesamt (UWA).
Auch ist der niedrige GWP Wert zu hinterfragen. Entweicht das Kältemittel in die Umwelt, so kann bei der Zersetzung von R1234ze(E) theoretisch ca. 11% des Stoffes CHF3 entstehen. Dieser Stoff entspricht dem Kältemittel R23, welches in Deutschland und in der EU nicht mehr verwendet werden darf. Grund: –> GWP 14.800!! Dieses Produkt würde wiederum einem effektiven GWP Wert von 1.628 entsprechen (11% von 14.800). Dies ergab eine Vorstudie von Campell J.S., jedoch ist dies nur unter Zuständen möglich, die so in der Natur nicht vorzufinden sind. Der aktuelle Wissenstand geht davon aus, das sich ein effektiver GWP von < 150 ergeben kann.
Mein Dank gilt Hr. Dr. Daniel de Graaf für die Erläuterungen und weiterführenden Informationen zu diesem Thema.