Hubkolbenverdichter bei Industriewärmepumpen
Vorgestellt werden halbhermetische und offenen Hubkolbenverdichter, die im Gewerbe und Industriebereich für Flüssigkeitskühlsätze und Industriewärmepumpen üblichen Typen. Vollhermetische Hubkolbenverdichter werden in Kühlschränken, Kleinklimageräten und Kühltheken eingesetzt, bei Serienkaltwassersätzen finden sie keine Anwendung. Aus diesem Grund wird hier nicht weiter darauf eingegangen. Obwohl Hubkolbenverdichter eine sehr hohe Effizienz im Teil- und Volllastbetrieb aufzeigen, finden sie für Klimaanwendungen aufgrund der deutlich höheren Schallemission gegenüber Scroll- und Schraubenverdichtern so gut wie keinen Einsatz mehr.
Halbhermetische Hubkolbenverdichter
Bei kleinen bis mittleren Leistungen von ca. 5 bis 250 kW und einem Hubvolumen von ca. 5 bis 280 m3/h (abhängig vom Kältemittel und den Betriebsbedingungen) können halbhermetische Hubkolbenverdichter (Bild 1) Verwendung finden. Die Ausführung erfolgt als Sauggas gekühlter Verdichter, hierbei wird das Kältemittel in den Verdichter über die Motorwicklung eingesaugt und nach der Verdichtung wieder ausgeschoben. Verdichtung passiert durch die im Zylinder hin- und hergehenden Kolben in Kombination mit saugseitig selbsttätigen Saug- und Drucklamellenventilen über den Zylinderdeckel oder der Hochdruckseite des Verdichters. Die Zylinder werden in V-, W- oder VV-Form angeordnet. Die Drehzahl beträgt in der Regel zwischen 1.450 und 2.900 U/min.
Für Reparatur- und Wartungszwecke kann der Verdichter geöffnet und vollständig zerlegt werden, da dieser halbhermetisch (verschraubt) ausgeführt ist. Ölpumpe (wenn vorhanden), Ölwanne und Ölschauglas sind im Verdichter integriert, die Ölwannenheizung wird als Elektroheizstab ausgeführt und ist problemlos austauschbar, nähere Informationen zeigt Bild 2. Die Einsatzgrenzen sind sehr weit definiert und können von ca. −25 °C Verdampfungstemperatur bis zu 95 °C Verflüssigungstemperatur, und darüber hinaus, betragen, abhängig vom Kältemittel. Herstellerhinweise betreffend Zusatzkühlung und Teillastverhalten sind zu beachten. Hubkolbenverdichter sind besonders vorteilhaft bei hohen Druckverhältnissen pc / po und stark wechselnden Betriebsbedingungen und werden bevorzugt bei Wärmepumpenanwendung verbaut. Bei Kolbenverdichtern ist die Öffnung der Arbeitsventile abhängig vom Druck. Ein Rechtsdrehfeld muss aus funktionaler Sicht nicht eingehalten werden, Betrieb bei Linksdrehrichtung schadet dem Verdichter nicht. Flüssigkeitsschläge können zur vollkommenen Zerstörung des Verdichters führen und sind unbedingt unter allen Betriebszuständen durch ausreichende Überhitzung, elektronische Expansionsventile, ein Magnetventil in der Flüssigkeitsleitung oder Flüssigkeitsabscheider zu vermeiden.
Offene Hubkolbenverdichter
Wird Ammoniak als Kältemittel verwendet, werden hauptsächlich offene Hubkolbenverdichter eingesetzt. Derzeit kann ein Leistungsbereich von ca. 20 bis 1.600 kW je Verdichter abgedeckt werden, industrielle Sonderausführung mit Mehrleistung sind im Einzelfall möglich. Die Funktionsweise ist wie bei halbhermetischen Hubkolbenverdichtern beschrieben, jedoch ist der Motor außen liegend, der Antrieb erfolgt in der Regel über Kupplung oder vereinzelt noch über Keilriemen. Je nach Leistungsgröße kann man semiindustrielle Ausführungen und reine Industrieausführungen (Bild 3) für offene Hubkolbenverdichter unterscheiden. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Ausführungen liegt in Lebensdauer und Effizienz. Insbesondere die im Industriebereich eingesetzten offenen Hubkolbenverdichter sind in Aufbau und Servicefähigkeit für eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren ausgelegt. Auf Grund ihrer herausragenden Effizienz in Voll- und Teillast und der sehr guten Regelbarkeit bei Einsatz eines Frequenzumrichters sind sie in industriellen Ammoniakanlagen weltweit verbreitet.
Frequenzgeregelte offene Hubkolbenverdichter werden auch in Flüssigkeitskühlsätzen häufig eingesetzt. Die auf der Kurbelwelle üblicherweise V-förmig angeordneten Kolben werden deutlich aufwendiger gelagert als bei semihermetischen Gewerbeverdichtern. Aufwendige und langlebige Ventilkonstruktionen und Ansaugkanäle sorgen für sehr geringe saug- und druckseitige Druckverluste und damit für eine hohe Effizienz. Im Industriebereich findet man neben Gussgehäusen für die Verdichter auch geschweißte Konstruktionen für große Verdichter. Deren Zylinderköpfe müssen wegen ihrer sehr guten Temperaturtrennung innerhalb des Verdichters nicht extern gekühlt werden. Industrieelle Hubkolbenverdichter haben erhebliche Anlaufmomente, die vom Antriebsmotor bei Start des Verdichters aufgebracht werden müssen. Um diese zu begrenzen, wird technisch ein „entlasteter Anlauf“ realisiert. Dazu werden beim Anlauf des Verdichters die Aus- und Einlassventile mechanisch angehoben. Der Antriebsmotor muss also nur das Masseträgheitsmoment der beweglichen Teile des Verdichters aufbringen. Bei Erreichen einer bestimmten Drehzahl werden dann nach und nach die Zylinder zugeschaltet.
Offen oder halbhermetisch??
Grundsätzliche Vorteile gegenüber der halbhermetischen Ausführung
► Keine unerwünschte saugseitige Kältemittelüberhitzung
► Exaktere Anpassung von Kälteleistung und Motorleistung je nach Anwendung
► Große Kälteleistung möglich
► hohe Flexibilität bei Motorwahl (z. B. Schutzart, Wirkungsgrad, Effizienzklasse,
Anwendungsbereich)
► Falls gewünscht, auch Riemenantrieb zur preiswerten Drehzahlanpassung möglich
► Bei Motorbrand kann Kältekreislauf nicht kontaminiert werden.
Als Nachteile haben sich folgende Eigenschaften herauskristallisiert:
► Stillstandswartung bei langen Stillständen (> 1 Monat) erforderlich, um Leckagen
an Wellenabdichtung zu vermeiden
► Tendenziell höhere Schallleistung
► Etwas höherer Platzbedarf
► Eventuell Wasserkühlung der Zylinderköpfe (herstellerabhängig)
► Motorkühlung muss extern erfolgen, da keine Kältemittelkühlung.
Regelungsmöglichkeiten
Die Ein-Aus- und Saugdruckregelung kann angewendet werden, bei Hubkolbenverdichtern finden außerdem folgende Anwendungen Einsatz:
► Drehzahländerung durch polumschaltbare Motoren
Durch polumschaltbare Motoren können weitere Leistungsstufen realisiert werden, dies wird in der Praxis aber nicht mehr oft angewandt. Nachteilig ist zu bewerten, dass die Motoren nur für eine Drehzahl hinsichtlich Wirkungsgrad, Drehmomentverlauf und Leistungsfaktor optimiert werden können.
► Drehzahländerung durch Frequenzumrichter
Wie auch beim Scrollverdichter stellt die Änderung der Drehzahl und somit der Kälteleistung über die Frequenz die wirtschaftlichste Form der Leistungsregulierung dar. Der Regelbereich kann in etwa mit 25 bis 70 Hz definiert werden. Im kleineren Leistungsbereich sind fertig angebaute und verkabelte Verdichter mit Frequenzumrichtern erhältlich, dadurch entfällt der Verdrahtungsaufwand.
Die Investitionskosten sind im Vergleich zu den anderen genannten Regelungsmöglichkeiten nicht signifikant höher, jedoch minimieren sich die Betriebskosten und die Regelgüte steigt.
Diese Art der Regelung kann als Stand der Technik angesehen werden und ist zu bevorzugen!
► Zylinderabschaltung durch Absperren des Saugkanals
Ein für Hubkolbenverdichter gängiges Verfahren ist die Leistungsregulierung mittels Zylinderabschaltung durch Absperren des Saugkanals. Bei 4-, 6- und 8-Zylinder-Verdichtern ist damit eine wirtschaftliche stufenweise Regelung möglich, die zugleich zur Startentlastung genutzt wird. Eine geringe Verschlechterung der Leistungszahl im Teillastbetrieb liegt in den Reibungsverlusten der leer laufenden Kolben begründet. Die Leistungsaufnahme des Motors reduziert sich meist nahezu proportional zur Kälteleistungsreduzierung.
Hocheffiziente Verdichter für natürliche Kältemittel
Nachdem bei Standardklimaanwendungen mit Kaltwassertemperaturen im Bereich von 4-20°C kaum noch Hubkolbenverdichter zum Einsatz kommen, sieht dies bei Wärmepumpenanwendungen ganz anders aus. Philip Hofmann vom Fraunhofer IEG fasst dies bei den Seminaren für „Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen“ wie folgt zusammen: „Hohe Effizienz über weiten Betriebsbereich, ölfreier Betrieb möglich, höchste Druckverhältnisse pro Stufe und Massenstrom & Druckverhältnis unabhängig variabel einstellbar“. Im Vortrag „Marktüberblick Verdichter“ wird deutlich, dass Hubkolbenverdichterw-Wärmepumpen hauptsächlich bis ca. 3 MW thermische Leistung und einer Senkentemperatur bis 140°C bei Wärmepumpen verbaut werden. Jedoch sind auch einzelne Projekte mit einer Leistung > 10 MW und Senkentemperaturen über 250°C bekannt. Gerade mit natürlichen Kältemitteln wie CO2, Ammoniak (R717) und Kohlenwasserstoffen wie Isobutan (R600a) setzen immer mehr Hersteller auf den Einsatz von Hubkolbenverdichter.
Erfolgreichste Seminarreihe zu Großwärmepumpen
Speziell zu dem Thema Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen führen wir zusammen mit der CCI Dialog GmbH seit Mai 2023 in ganz Deutschland Seminare durch. Die Dauer beträgt zwei Tage, am ersten Abend gibt es ein gemeinschaftliches Come-to-Gether. Die Teilnehmer und Referenten haben ausreichend Zeit zum Erfahrungsaustausch. Mittlerweile haben bereits sechs Seminar mit insgesamt über 400 Teilnehmern stattgefunden. Das Feedback ist durchgehend sehr positiv, hier eine Bewertung von Prof. Dip. Ing. Werner Schenk, Inhaber Ing. Büro & Professor an der FH München, Fachbereich Versorgungstechnik: „Das Seminar in Frankfurt war für mich jedenfalls das mit Abstand interessanteste Forum der letzten 5 Jahre!“
Vom 18./19.2.2025 bieten wir in Frankfurt das bereits 7. Seminar zu diesem Thema an. Im Fokus steht die Pinch-Analyse, die Dampferzeugung mit Industriewärmepumpen und Abwärmenutzung von Rechenzentren. Das genaue Programm, die Referenten und die Anmeldung findet ihr hier.
Empfohlener Artikel Turboverdichter
Werden größere Leistungen für Kälte- und Klimaanwendungen benötigt, ist oft der Turbo als Verdichterbauart die erste Wahl. Hierzu habe ich einen interessanten Artikel geschrieben. Diesen findet ihr hier auf meiner Homepage.