Lars Keller referiert vor 70 Teilnehmern

Resümee „Theorie trifft auf Praxis“ Berlin

Großwärmepumpen im Fokus: Erfolgreiche Fachtagung in Berlin

Am 4. und 5. Dezember 2024 fand in Berlin eine hochkarätige Fachtagung zum Thema Großwärmepumpen mit Schwerpunkt auf natürlichen Kältemitteln statt. Die Veranstaltung, organisiert von CCI Dialog GmbH, zog rund 70 Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen der Branche an, darunter Planer, Anlagenbauer, Energieberater und Betreiber großtechnischer Anlagen. Das zweitägige Seminar bot ein umfangreiches Programm, das sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Anwendungen abdeckte. Der Fokus lag dabei auf Großwärmepumpen mit einer Leistung von über 500 kW, die natürliche Kältemittel verwenden.

Florian Fischer CCI begrüßt & Lars Keller moderiert

Der erste Seminartag begann mit einer Begrüßung durch Florian Fischer, Geschäftsführer der CCI Dialog GmbH. Anschließend referierte Dipl. Ing. Lars Keller von der Hitzköpfe-Academy über die aktuelle Kältemittelsituation unter Berücksichtigung der EU-Verordnung 2024-573.

Ein Highlight des Vormittags war der Vortrag von Dr. Klaus Ramming von der AGO GmbH Energie + Anlagen über NH3-Wärmepumpen mit Lösungskreislauf H2O, die Temperaturen bis zu 160°C erreichen können. Dies verdeutlichte das enorme Potenzial von Ammoniak-Wassergemisch als natürliches Kältemittel in industriellen Anwendungen. Die Vorteile gegenüber reinem Ammoniak  sind im geringeren Druckverhältnis, dem höheren COP und einer höheren möglichen Verflüssigungstemperatur zu sehen. Diese Vorteile müssen jedoch über eine höhere Investitionssumme eingekauft werden. Dies liegt in dem komplexeren Kältekreislauf begründet, zusätzlich ist ein Austreiber und eine Lösungspumpe notwendig. Das Strom / Gaspreis Verhältnis und der Temperaturhub (daraus resultierend der COP) ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und den Investitionszeitpunkt. Weitere Informationen hierzu liefert Bild 1.

Bild 1: Zeitliche Investitionsempfehlung in eine GWP in Abhängigkeit von Strom-Gas-Preisverhältnis und COP(Quelle: AGO GmbH Energie + Anlagen)

Energiesystemoptimierung mit der Pinch-Analyse

Dr. Florian Schlosser von der Universität Paderborn führte die Teilnehmer in die Grundlagen der Pinch-Analyse ein, eine wichtige Methode zur Optimierung von Energiesystemen. Marcel Riethmüller von ecogreen GmbH informierte über staatliche Fördermöglichkeiten für Großwärmepumpen, ein Thema von großer Relevanz für viele Anwesende.

Am Nachmittag standen innovative Konzepte im Mittelpunkt. Andreas Kaiser und Christian Fritz von Netz-Werk Regenerativ präsentierten detaillierte Einblicke in kalte Nahwärmenetze, während Ulrich Brinkmann von 2G Energy AG die Synergie zwischen Wärmepumpen und Kraft-Wärme-Kopplung erläuterte.

M.sc. Philip Hofmann vom Fraunhofer IEG gab einen Marktüberblick über Hochtemperaturwärmepumpen mit Wasser als Kältemittel (R718) und verschiedene Verdichtertechnologien. Besonders im Temperaturbereich über 100°C dürfte R718 für die Zukunft bei Wärmepumpen eine technische, wirtschaftliche und ökologische Option darstellen, siehe Bild 2. Den Abschluss des ersten Tages bildete ein innovativer Vortrag von Andreas Kaiser über schwimmende Wärmezentralen, welche hauptsächlich im Leistungsbereich von 1-10 MW angeboten werden.

Das Bild zeigt unterschiedliche natürliche Kältemittel und Kohlenwasserstoffe im p-d Diagramm
Bild 2: ph-Diagramm verschiedener natürlicher Kältemittel und Kohlenwasserstoffe (Quelle: Fraunhofer IEG, Vortrag Philip Hofmann)

CO2 und Speichersysteme für Großanlagen

Der zweite Tag begann mit einem Vortrag von Marc Fürth von Carrier Kältetechnik Deutschland GmbH über nachhaltige Kältesysteme mit CO2 als natürlichem Kältemittel. Philip Hofmann vom Fraunhofer IEG vertiefte mit seinem zweiten Vortrag das Thema thermische Speicher in Bezug auf Großwärmepumpen. Ruths Speicher sind betreffend der großen Ein- und Ausspeicherleistung in kurzer Zeit vorteilhaft, Latente Wärmespeicher (PCM) speichern mit wenig Volumen große Energiemengen. Ein Kombispeicher, um beide Vorteile nutzen zu können, ist derzeit in der Entwicklung.

Dipl. Ing. Hans Joachim Schmidt von UHRIG Energie GmbH präsentierte innovative Lösungen zur Energiegewinnung aus Abwasser als exzellente Wärmequelle für Wärmepumpen. Dipl. Wirt. Ing. Tobias Hirsch von MAN Energy Solutions verglich den Einfluss von Ammoniak auf Baugröße und Verdichterdesign mit Isobutan. Bei der gewählten Vergleichsauslegung benötigt NH3 einen 6-stufigen Kompressor, wobei Isobutan mit drei Stufen auskommt. Dies liegt in der deutlich höheren molaren Masse von 58 g/mol (zu 17 g/mol) begründet, durch die eine höhere Kompression möglich ist. Die Vorteile beim Ammoniak liegen aber in der hohen Wärmekapazität (~2,7 kJ/(kg K) vor dem Kompressor), einer hohen volumetrischen Kälteleistung und einer hohen spezifischen Verdampfungsenergie. Dadurch kann bei dem gewählten Beispiel (40 MWth, 8/4°C und 60/110°C) mit Ammoniak um 50% kompakter auf der Fläche gebaut werden; und dies bei etwas höheren Leistungszahlen im Vergleich zum R600a. Bild 3 stellt dies da.

Bild 3: NH3 Kältekreislauf, mehrstufiger Verdichter sowie Footprint der Gesamtanlage (Quelle: Vortrag von MAN Energy Solutions)

In der Schraubenverdichter-Produktion von GEA

Der Höhepunkt des zweiten Tages war der Besuch in der Schraubenverdichter-Produktion bei GEA, einem führenden Hersteller von Industriekältetechnik. Hannes Burgis und Dirk Oschetzke von GEA gaben einen umfassenden Überblick über Großwärmepumpen mit NH3. Grundsätzlich wurde erst Einmal auf die physiologischen Wirkungen eingegangen. Ein kleines Fläschchen mit Ammoniak wurde rumgereicht und beim „chemisch riechen“ konnte jeder Teilnehmer mal eine „Nase voll“ davon erschnuppern. Aufgrund der hohen Warnwirkung fällt der Austritt auch bereits bei Kleinstmengen auf:

▪ 5 ppm – Wahrnehmungsgrenze
▪ 50 ppm – MAK – Wert (AGW – 20 ppm 8h)
▪ 150 ppm – unangenehm
▪ 500 ppm – kaum erträglich
▪ 1.000 ppm – gefährlich (4h)
▪ 5.000 ppm – führen in kürzester Zeit (5 Minuten) zum Tod

Die Absicherung vor Gefahren erfolgt in mehreren Schritten:

Absicherung Gefahr durch Überdruck → Bau nach Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU
→ druckseitige Sicherheitskette (Steuerung 2x + SD-Begrenzer 2x + ÜV + SIV)

Absicherung elektrische Gefährdung → Sicherung nach DIN VDE100 und VDE105

Absicherung Gefahr durch austretende Medien
→ Dichtheitsprüfung vor Inbetriebnahme (mit Stickstoff Prüfdruck 24h anstehen lassen, anschließend Lecksuche, bei großen Anlagen in Teilabschnitten)
→ Alarmschwellen der NH3-Sensorik (Beispiel):
Voralarm: Bei 500 ppm Warnung (Anzeige optisch, akustisch & in Steuerung) – Aktivierung Lüftung
Hauptalarm: Bei 1000 ppm automatische Abschaltung der Kälteanlage
Obere Alarmgrenze: Bei 30.000 ppm komplette elektrische Freischaltung der Gesamtanlage mit Abschaltung der Lüftung

Sicherheitstechnische Anforderungen nach DIN EN 378 / ab 3 Tonnen NH3 TRAS 110
→ Müssen beachtet werden!

Es folgte eine Gegenüberstellung  von Hubkolben- und Schraubenverdichter betreffend Funktion, Leistungsregelung, Schallemissionen, Aufstellfläche, Temperaturbereich, Effizienz und Kosten. Als Ergebnis resümiert der Verdichterhersteller auf seine Produkte bezogen wie folgt:

 Hubkolbenverdichter:

▪ Ideal im Leistungsbereich < 5MW
▪ Höchste Effizienz in der Wärmepumpen-Anwendung
▪ Hohe Effizienz in Teillast

Schraubenverdichter:

▪ Ideal für große Leistungen > 5 MW pro Einheit
▪ Hoher Temperaturhub möglich (Öl-Einspritzung während der Verdichtung)
▪ Weniger rotierende Teile, wartungsarm
▪ Schwingungs- und Geräuscharm

Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, den GEA-Produktionsstandort für Schraubenverdichter und -aggregate zu besichtigen und einen Einblick in den Prüfstand für Großwärmepumpenverdichter zu erhalten. Diese Eindrücke bleiben aber den Teilnehmern vorbehalten, da es hierfür keine Fotofreigabe gibt.

Dirk Oschetzke und Hannes Burgis bei der Präsentation am GEA Standort
Bild 4: Dirk Oschetzke (links) und Hannes Burgis (rechts) bei der Präsentation am GEA Standort (Quelle: Lars Keller)

Networking und Austausch

Ein besonderes Highlight der Veranstaltung war das abendliche Networking am ersten Tag, an dem fast alle Teilnehmer bis spät in die Nacht teilnahmen. Für Essen und Getränke war bestens gesorgt. Diese Gelegenheit zum informellen Austausch wurde intensiv genutzt und führte zu angeregten Diskussionen und wertvollen Kontakten innerhalb der Branche.

Fazit und Ausblick

Das Seminar hat eindrucksvoll die Bedeutung von Großwärmepumpen und natürlichen Kältemitteln für die Energiewende unterstrichen und einen detaillierten Ausblick gegeben. Die Vielfalt der behandelten Themen, von technischen Details über Fördermöglichkeiten bis hin zu innovativen Anwendungskonzepten, bot den Teilnehmern einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Technik und zukünftige Entwicklungen.

Ausblick: Seminar in Frankfurt am Main im Februar 2025

Aufbauend auf dem Erfolg der Berliner Veranstaltung findet das bereits 7. Seminar vom 18. bis 19. Februar 2025 in Frankfurt am Main statt. Der Fokus dieser Veranstaltung liegt auf der Dampferzeugung mit Wärmepumpen und der Pinchanalyse zur effizienten Integration von Großwärmepumpen. Den Inhalt findet ihr hier.

Das Frankfurter Seminar verspricht, die Themen des Berliner Seminars zu vertiefen und zu erweitern. Besonders die Pinchanalyse, die in Berlin bereits angesprochen wurde, wird in Frankfurt ausführlicher behandelt. Dies unterstreicht die Bedeutung dieser Methode für die Optimierung von Energiesystemen und die effiziente Integration von Großwärmepumpen in industrielle Prozesse.

Die Dampferzeugung mit Wärmepumpen ist ein weiterer Schwerpunkt, der die Möglichkeiten von Hochtemperaturwärmepumpen in industriellen Anwendungen aufzeigt. Dies ist besonders relevant für Branchen, die bisher auf fossile Brennstoffe für ihre Dampferzeugung angewiesen waren und nun nach nachhaltigen Alternativen suchen.

Fazit für „Theorie trifft auf Praxis“

Die Seminarreihen zeigen deutlich, dass Großwärmepumpen mit natürlichen Kältemitteln eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielen. Sie bieten nicht nur eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Heiz- und Kühlsystemen, sondern eröffnen auch neue Möglichkeiten für die Industrie, ihre Prozesse zu dekarbonisieren.

Die hohe Teilnehmerzahl und das große Interesse an beiden Veranstaltungen unterstreichen die Relevanz des Themas für die Branche. Es wird deutlich, dass der Bedarf an Fachwissen und Austausch in diesem Bereich weiterhin groß ist. Die Kombination aus theoretischen Grundlagen, praktischen Anwendungsbeispielen und der Möglichkeit zum Networking macht diese Seminare zu wertvollen Plattformen für alle, die in der Planung, dem Bau oder dem Betrieb von Großwärmepumpen tätig sind.

Mit Blick auf die Zukunft ist zu erwarten, dass die Bedeutung von Großwärmepumpen und natürlichen Kältemitteln weiter zunehmen wird. Die Seminare leisten einen wichtigen Beitrag dazu, das notwendige Wissen und die erforderlichen Kompetenzen in der Branche zu verbreiten und zu vertiefen. Sie tragen damit maßgeblich zur Beschleunigung der Energiewende und zur Erreichung der Klimaziele bei.

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