Nahwärmenetze im Vergleich
Nahwärmenetze im Vergleich
Nahwärmenetze können städtische Quartiere und Gemeinden mit Wärme und Kälte versorgen und werden in der Zukunft aufgrund der Vorgaben im GEG immer mehr an Bedeutung gewinnen . Speisung erfolgt aus verschiedenen Quellen die unterschiedliche Temperatur Niveaus besitzen . In diesem Artikel stellen wir die unterschiedlichen Netz-Architekturen von Nahwärmenetzen vor und beleuchten deren Vor- und Nachteile. Bild 1 gibt eine kompakte Übersicht hierzu.
Was genau sind Wärmenetze?
Wärmenetze dienen grundsätzlich der Verteilung von Wärme über einen Wärmeträge wie Wasser oder Sole. Dies geschieht über Vorlauf- und Rücklaufrohre, die die Wärmeenergie transportieren und in den Gebäuden für Heizung und Warmwasser sorgen. Die abgekühlte Flüssigkeit wird über die Rücklaufleitung zurück transportiert, dort erneut erwärmt und wieder in den Kreislauf eingespeist.
Traditionelle warme Netze verwenden meist fossile Brennstoffe wie Gas oder Erdöl als Energiequelle. Um jedoch umweltfreundlicher zu werden und die CO2-Emissionen bei der Erzeugung zu reduzieren, setzen immer mehr Wärmenetze auf alternative, nachhaltige Wärmequellen wie Anergie aus Wasser oder der Erde, Solarthermie oder industrielle Abwärme, die ansonsten ungenutzt verloren gingen. Besonders die Abwärme aus Rechenzentren dürfte die nächsten Jahre an Bedeutung gewinnen, da die Energie ziemlich konstant und auf hohem Temperatur Niveau zur Verfügung steht.
Unterscheidung von Nah- und Fernwärme
Während Fernwärmenetze oft tausende Gebäude versorgen, findet man Nahwärmenetz eher in kleineren Stadtvierteln und Quartieren sowie zur Versorgung von Kommunen oder Gewerbegebieten. Eine eindeutige Unterscheidung bzw. zahlenmäßige Grenze für die eine oder andere Netzart gibt es aber nicht. Zur technischen Unterscheidung gelten dieselben Merkmale wie für Nahwärmenetze.
Für die Förderung von Netzen interessant: Werden 2 bis 16 Gebäude mit Wärme und Warmwasser aus einem Netz versorgt, spricht man von einem Gebäudenetz (es gilt das GEG). Sind es mehr als 16 Gebäude (oder 100 Wohneinheiten), dann handelt es sich um ein Wärmenetz, gefördert nach BEW (Bundesförderung für effiziente Wärmenetze). Weitere Informationen können hier auf der Seite der BAFA abgerufen werden. Mit der BEW wird der Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen erneuerbaren Energien sowie die Dekarbonisierung von bestehenden Netzen gefördert. Da die Förderanträge sehr komplex und zeitaufwendig sein können, wird empfohlen hierauf spezialisierte Förderberater mit ins Boot zu holen. Dies erspart Zeit bei der Antragstellung und erhöht die Wahrscheinlichkeit einen positiven Bescheid für die Förderung zu bekommen. Auf meinen Seminaren zu „Großwärmepumpen und Hochtemperaturanwendungen“ hat bereits mehrfach die Firma ecogreen hierzu einen Vortrag gehalten.
Wir wollen für diesen Blogartikel drei Arten von Netzen unterscheiden: Warme Nahwärmenetze, Low-Ex-Netze mit einer geringeren Vorlauf-Temperatur und kalte Nahwärmenetze.
Kalte Nahwärmenetze der 5. Generation
Kalte Nahwärmenetze zeichnen sich durch eine lokale Wärmeversorgung mit relativ niedrigen Investitionskosten aus. Sie ermöglichen die Bereitstellung von Quellwärme ohne große Verluste über kurze Distanzen. Im Gegensatz zu traditionellen Nahwärmenetzen, bei denen das Wasser auf hohe Temperaturen erhitzt wird, verwendet ein kaltes Nahwärmenetz direkt die niedrigere Temperatur der Quelle. Diese liegt meist im Bereich von -5 bis 25°C. Als Quellen können das Erdreich, Wasser, Luft, solarthermische Wärme sowie Abluft dienen. Ein großer Vorteil bei niedrigem Temperatur Niveau sind die Zugewinne über die im Erdreich unisoliert verlegten Rohre. Abhängig von der Verlegetiefe und Untergrund (z.B. trockener / feuchter / Wassergesättigter Boden) können signifikante Energiezugewinne erreicht werden. Bild 3 liefert hierzu sehr gute Informationen.
Als Wärmeträgermedium im Kalten Netz wird meist Wasser oder Sole verwendet. Im Gebäude angekommen, wird die Sole über einen Wärmetauscher geführt und durch die dezentrale Wärmepumpe auf ein gebrauchsfähiges Temperaturniveau gebracht. Da jedes Gebäude eine eigene Wärmepumpe benötigt, wird ein kaltes Nahwärmenetz (Bild 4)als dezentrale Energielösung bezeichnet. Eine direkte Wärmeversorgung über das Netz ist bei dieser Netzform nicht möglich, da die Netztemperatur zu gering ist. Dafür kann – durch eine Umkehr des Wärmepumpenbetriebs – die kühle Netztemperatur im Sommer auch zum Kühlen der Gebäude genutzt werden – ohne zusätzliche Klimaanlagen. Dies kann im Sommer- und Winterbetrieb oder oft auch gleichzeitig bzw. parallel geschehen. Mit Hilfe von kalten Nahwärmenetzen ist es also möglich, Wärme und Kälte mit einem einzigen Netz bereitzustellen und – zum Beispiel durch Abluft eines Supermarkts oder Rechenzentrums – Wärme und Kältebedarf im Quartier teilweise gegenseitig auszugleichen.
Vorteile:
- Geringe Investitionskosten: Da kalte Nahwärmenetze niedrige Temperaturen verwenden, müssen die PE-Rohrleitungen nicht gedämmt werden – der Netzausbau wird kostengünstiger.
- Lokale Wärmeversorgung ohne große Wärmeverluste: Durch die niedrigeren Temperaturen gibt es während des Transports im Wärmenetz kaum Wärmeverluste – im Gegenteil, manchmal ist das Erdreich, durch das das Netz führt, sogar wärmer als die Quelle und gibt daher sogar selbst Wärme an das Netz ab.
- Flexibilität bei den Wärmequellen: Kalte Nahwärmenetze können effektiv mit verschiedenen erneuerbaren Wärmequellen wie Aqua- und Geothermie oder Abwärme gespeist und gekoppelt werden. So kann, je nach Verfügbarkeit und regionalen Gegebenheiten, die am besten geeignete Quelle genutzt werden.
- Flexibilität in der Wärmebereitstellung: Versorgung von Gebäuden mit Wärme und Kälte durch ein thermisches Netz.
- Betrieb der Wärmepumpe mit Solarstrom vom Dach für geringere Stromkosten!
- Ausgleich von Wärme- und Kältebedarfen innerhalb von Gebäuden und zwischen Gebäuden eines Quartiers.
- „Exergetische Veredelung beim Verbraucher auf das Temperaturniveau, welches vom individuellen Gebäudeenergiesystem benötigt wird. Mit anderen Worten: Die Netztemperatur muss nicht so hoch gewählt werden, dass auch noch das Gebäude mit der höchsten Vorlauftemperatur im Heizsystem versorgt wird (Bestandsgebäude mit altem Heizsystem und Vorlauftemperaturen über 70 °C). Stattdessen wird die Wärme individuell für jedes Gebäude durch die dezentral verbauten Wärmepumpen auf das im jeweiligen Gebäude benötigte Temperaturniveau angehoben.“
Weitere Informationen können hier eingesehen werden.
Bei der Anwendung von kalten Nahwärmenetzen gibt es aber auch einige Herausforderungen:
- Eine Hauptfrage ist die richtige Dimensionierung des Wärmenetzes und seiner Quellen: Wird der Grundbedarf berücksichtigt oder auch eine selten vorkommende Spitzenlast (was das Netz wesentlich teurer macht)? Kann alternativ für Spitzenlasten auf einen Heizstab, fossile Träger oder ein BHKW zurückgegriffen werden?
- Die Hydraulikregelung ist anspruchsvoll wegen der geringen Temperaturunterschiede im Vor- und Rücklauf. Damit das System reibungslos arbeitet, sind größere Volumenströme erforderlich, was wiederum größere Rohrleitungsdurchmesser bedingt.
- Darüber hinaus benötigt jeder angeschlossene Haushalt eine eigene Wärmepumpe, verbunden mit dem entsprechenden Kosten sowie Platz-, Wartungs- und Reparaturbedarf.
Dennoch zeigen Studien und die Praxis, dass kalte Nahwärmenetze ein großes Potenzial haben, um den Wärmebedarf effizient und nachhaltig zu decken.
Anwendungsgebiete:
- Wohnsiedlungen und Quartiere im Neubau oder Mischgebiet
- Stadtviertel
- Gewerbegebiete mit kurzen Distanzen zwischen den Gebäuden
Low-Ex-Netze – die mittelwarmen mit zentraler Wärmepumpe
Low-Ex-Netze oder auch Low-Exergy-Netze genannt (Bild 5), liegen temperaturmäßig zwischen kaltem und warmem Netz. Sie arbeiten auf Niedertemperatur-Niveau mit Betriebstemperaturen zwischen 35-55 °C. Die Netzwärme kann also direkt zum Heizen und – bei sehr effizienter Übergabe – für das Warmwasser genutzt werden, ohne dass eine Wärmepumpe im Haushalt benötigt wird (Begriff “Exergie”: Direkt nutzbare Wärme). Der Name bedeutet, dass die Netzwärme auf einem relativ niedrigen Exergie-Niveau bereitgestellt wird. Als Quellen dienen regenerative Quellen wie Solarthermie, Aquathermie, Geothermie oder Abwärme aus Industrieprozessen. Die benötigte Wärme wird zentral erzeugt und dann in der „richtigen“ Temperatur über das Netz ins Gebäude geleitet. Die Rohre müssen daher gut isoliert sein, um die Wärmeverluste im Verteilnetz zu reduzieren.
Ausnahme: Die Netztemperatur ist sehr niedrig – beispielsweise bei 40 °C. Das reicht für die (Fußboden-)Heizung aus. Für Warmwasser (Legionellen-Thematik) wird dann zusätzlich eine Booster-Wärmepumpe im Haushalt oder z.B. in Kindergärten oder Pflegeheimen benötigt.
Eine Kühlung der Gebäude ist über das Low-Ex-Netz nicht möglich, da die Temperaturen im Netz zu hoch sind.
Bitte beachten: Da es keine strenge Begriffsdefinition von Low-Ex gibt, wird der Begriff manchmal auch als Synonym zu Anergie-Netzen verwendet! Dann gilt die oben genannte Beschreibung nicht mehr. Um Verwechslungen zu vermeiden, spricht man am besten von Niedrigtemperaturnetzen.
Warme Netze bei 60-90°C
Warme Netze(Bild 6) sind die ältesten und derzeit noch am weitesten verbreiteten Nahwärmenetze.
Sie transportieren heißes Wasser (mit Temperaturen von 60-90 °C) von einer zentralen Erzeugungsanlage, dem Heizwerk, über gedämmte Rohre und Hausübergabestationen in die einzelnen Haushalte. Die Quellen für warme Netze können je nach Standort und Verfügbarkeit fossile Brennstoffe, Biomasse oder erneuerbare Energien wie Solarenergie oder (tiefe) Geothermie sein. Ziel ist es, diese Netze in nächster Zeit über Transformationspläne CO2-frei und damit umweltfreundlicher, verlustärmer und effizienter zu machen.
Einige Vor- und Nachteile von warmen Netzen sind:
- Warme Netze sind seit vielen Jahren eine bewährte Technologie, daher sind die Kosten-/Nutzen-Faktoren gut einschätzbar.
- Die hohen Wassertemperaturen führen jedoch zu Wärmeverlusten, sowohl beim Transport als auch insbesondere im Sommer, wo nur wenig Wärme abgenommen wird.
- Sie sind größtenteils aus fossilen Quellen gespeist und verursachen daher hohe Emissionen von Treibhausgasen. Sie müssen daher bis 2045 transformiert und dekarbonisiert werden.
- Warme Netze aus 100 % erneuerbaren Energien: Bei Erwärmung über eine zentrale WP sollte die Netztemperatur möglichst gering sein (ca. 60°C). Möglich ist auch die Gewinnung von Wärm aus Biogas und Biomasse durch Verbrennung.
Insgesamt bieten warme Netze eine bewährte Lösung für die Nahwärmeversorgung, wenn sie aus regenerativen Quellen wie beispielsweise tiefe Geothermie oder industrieller Prozessabwärme gespeichert werden. Fossile Quellen wie Erdgas, Öl oder Kohle sind dagegen nicht mehr zeitgemäß – sie müssen demnächst aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ersetzt werden. Neuere Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) helfen, diese Nachteile zu reduzieren.
…und was bringt die Zukunft??
Derzeit macht die Nah- und Fernwärme etwa 17,6 Prozent des Endenergieverbrauchs der deutschen Haushalte aus, wobei rund 28,5 Prozent davon aus erneuerbaren Energien und Abwärme stammen. Der Großteil, etwa 71,5 Prozent, wird jedoch noch durch den Einsatz von Erdgas, Kohle und Müll als „Brennstoff“ erzeugt. In Zukunft müssen die Betreiber von Wärmenetzen den Anteil fossiler Brennstoffe vollständig durch alternative Energiequellen ersetzen (Quelle: Statistisches Bundesamt / Jahresbericht BDEW 2023).
Durch eine sorgfältige Planung und unter Berücksichtigung der lokalen Potenziale und Verbraucher kann ein Nahwärmeprojekt für die angeschlossenen Nutzer eine zuverlässige und kostengünstige Wärmeversorgung gewährleisten. Gleichzeitig bietet es den Kommunen die Möglichkeit zur lokalen Entwicklung und Wertschöpfung und ist ein konkreter Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz.